Ein Kind kann nicht zwei Väter haben: enttäuscht vom Bundesgerichtsurteil

Das Bundesgericht hat entschieden: Ein Kind, das im Ausland von einer Leihmutter für ein gleichgeschlechtliches Paar ausgetragen wurde, darf rechtlich gesehen nicht zwei Väter haben. Erlaubt sind ausschliesslich je ein männliches und ein weibliches Elternteil. Zur Medienmitteilung des Bundesgerichts.

Das Bundesgericht begründet sein Urteil damit, dass das in der Schweiz geltende Leihmutterverbot umgangen wurde und der Eintrag zweier Männer deshalb gegen den Ordre public verstösst. Das ist rechtlicher Quatsch.

Grundsätzlich gelten die Gesetze eines Landes immer nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Was im Ausland passiert, geht Gesetzgeber und Richter nichts an. Ausnahmen sind nur für seltene Fälle vorgesehen, bei denen es um besonders schwere Verbrechen wie beispielsweise Kindsmissbrauch geht. Voraussetzung für eine Verurteilung in der Schweiz ist dabei immer, dass die Tat auch im Land der Verbrechensbegehung strafbar ist, dort aber nicht verfolgt wurde. Das Bundesgericht stellt den Wunsch zweier Menschen, gemeinsam ein Kind grosszuziehen und ihm Liebe und Geborgenheit zu geben, mit dem Schlimmsten gleich, was man einem Kind antun kann. Das gibt vor lauter Kopfschütteln ja fast ein Schleudertrauma.

Zugegeben: Das ist natürlich etwas überspitzt formuliert und das Strafrecht lässt sich nicht 1:1 auf die zivilrechtliche Ausrede des Bundesgerichts anwenden. Trotzdem ist es es rechtlich mehr als bedenklich. Es verweigert dem Kind sämtliche Rechte, die aufgrund des Kindsverhältnis sonst bestehen. Ärzte dürfen ihm im medizinischen Ernstfall beispielsweise keine Auskunft über den Zustand von Papi II geben, es hat keinen Unterhaltsanspruch, nicht automatisch ein Recht auf Versorgerschaden und auch keinen Erbanspruch. Und muss hohe Erbschaftssteuern bezahlen, falls es doch etwas erbt. Das Urteil belegt einmal mehr, dass wir uns in der Schweiz immer mehr vom Kindswohl entfernen.

Und es ist sehr engstirnig. Denn: Nicht nur die Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten, nein, sondern beispielsweise auch die Präimplantationsdiagnostik (zumindest bis zu den kommenden Abstimmungen am 14. Juni 2015). Daher reisen jährlich viele Paare ins Ausland, um sich dort der hier verbotenen Prozedur zu unterziehen. Dazu rät ja sogar Bundesrat Berset. Die dabei gezeugten Kinder werden in der Schweiz dann aber ganz normal anerkannt, haben dieselben Rechte wie „legal“ gezeugte Kinder. Wieso verlangt das Bundesamt für Justiz (es war im vorliegenden Fall Klägerin) nicht auch hier, dass den Kindern hier Rechte verweigert werden, am liebsten wohl gleich die Schweizer Staatsbürgerschaft?

Das Kindsverhältnis kann ausserdem auch zu anderen Personen als zu den biologischen Eltern bestehen. Die Eltern müssen dem Zivilstandesamt schliesslich keinen DNA-Test vorlegen, um zu beweisen, dass sie (beide) die Eltern sind. In der Ehe geborene Kinder gelten automatisch als von den Ehepartnern abstammend. Bei unverheirateten Müttern können Kinder auch von einem Mann anerkannt werden, der nicht der biologische Vater ist. Und natürlich gibt es die Adoption. Wieso wird hier Artikel 8 der Bundesverfassung so beiläufig ignoriert, der besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass niemand diskriminiert werden darf, egal aus welchen Gründen?

Wenn überhaupt müssten die Schweizer Behörden eigentlich bei jedem Paar nach dem Grund fragen, wenn es ins Ausland reist, und ihm die Ausreise verweigern, wenn die „Gefahr“ besteht, dass es im Ausland eine Leihmutter beauftragen oder Präimplantationsdiagnostik durchführen könnte. HIER müssten die Behörden ansetzen, und nicht das später Kind bestrafen. Es hat schliesslich nichts unrechtes getan.

Ausserdem: Das Bundesgericht kann nur verbieten, rechtlich gesehen zwei Väter zu haben. Es kann nichts dagegen unternehmen, dass das Kind faktisch sehr wohl zwei Väter hat. Wie und mit wem man ohne Trauschein zusammenlebt, kann das Gericht zum Glück noch nicht verbieten – mit Ausnahme des Beischlafs mit einem direkten Verwandten (Inzestverbot). Die verweigerte Eintragung des zweiten Vaters bringt also überhaupt nichts. Genauso wie die Eintragung eines Vaters und einer Mutter faktisch nichts bringt, wenn diese nichts oder nichts mehr mit dem Kind zu tun haben möchten. Das Gericht kann ein Elternteil höchstens dazu bringen, dem Kind Unterhalt zu zahlen, aber nicht, ihm ein richtiger Vater oder eine richtige Mutter zu sein.

Mit den zwei Vätern hat das Kind sicher ein geborgenes, erfülltes Leben und wird genauso geliebt – oder vielleicht sogar noch mehr – wie in konventionell zusammengesetzten Familien. Und darauf sollte es ALS EINZIGES ankommen. Ist es wirklich besser, sich als Richter hinter Gesetzesbüchern und Ausreden zu verstecken, um jemand anderem die eigene, erzkonservative Meinung aufzuzwingen? Nein.

Urteil des Bundesgerichts vom 21. Mai 2015 (5A_748/2014)

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